„Wir sind da angekommen, wo Bahner/innen neue Kolleg/innen für ihren Beruf begeistern.“

Eine Frau sitzt vor einem Triebfahrzeug-Simulator und lächelt in die Kamera. Hinter ihr steht ein Mann und erklärt das Gerät.

Arbeitgeber

20. Februar 2024

Fokus Bahn NRW erweitert das Mentorenprogramm

Der Ausbau des Mentorenprogramms gehört zu den zentralen Maßnahmen der Beschäftigungsoffensive für den SPNV NRW. Programmleiter Dieter Harder erklärt die Aufgaben der Mentor/innen und ihre Bedeutung für die Personalbindung in der Bahnbranche.


Mitarbeitende der Nahverkehrsbahnen ehrenamtlich bereit erklärt, angehende Lokführer/innen mit Erfahrung und Fachwissen zu begleiten – so auch Dieter Harder, der als „Bahner im Unruhestand“ das Mentorenprogramm mit aufgebaut hat und koordiniert. Er beschreibt im Interview, wie das Mentoring die Chancen auf eine erfolgreiche Qualifizierung erhöht, die Bindung an die Bahnbranche stärkt und welche Maßnahmen zum Programmausbau geplant sind.


Herr Harder, der Fachkräftemangel im Nah- und Regionalverkehr auf der Schiene wird viel diskutiert: Wie nehmen Sie die Situation wahr?


Dieter Harder: Ich stehe im engen Kontakt zu den Mentor/innen und erfahre so, dass es da eine absolute Belastung gibt, die sich jeden Tag zeigt. Die Arbeit verteilt sich auf zu wenige Schultern, wenn sehr viele erfahrene Kolleg/innen in den Ruhestand wechseln und dazu noch Krankenstände bei Grippe- und Coronawellen in die Höhe schnellen. Die Belastung jedes einzelnen bedingt zudem eine höhere Fluktuation. Die Situation ist, wie sie ist. Wir stehen vor der Herausforderung, dass es einen Wechsel der Generationen gibt – und die Bahnbranche muss sich fokussiert auf die Suche nach neuen Mitarbeiter/innen machen. Die Aufgabe, die sich daraus ableitet: die Bahnberufe so attraktiv zu machen, dass die Menschen mit wachsendem Interesse in der Bahnbranche arbeiten möchten.


Fokus Bahn NRW hat das Mentorenprogramm bereits 2020 gestartet – als eine von vielen Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Welche Idee stand dahinter?


Dieter Harder: Das Mentorenprogramm ist aus der Situation heraus entstanden, dass gerade zur Zeit der Pandemie sehr viele Arbeitssuchende hochmotiviert den Quereinstieg in die Bahnbranche gesucht haben und sich als Lokführer/in qualifizieren wollten. Aber viele sind in der Prüfung gescheitert. Die Durchfallquoten waren absolut inakzeptabel. Fokus Bahn NRW hat da sofort gehandelt und in einer Umfrage unter 77 Prüflingen die Qualitätsmarker einer erfolgreichen Qualifizierung ermittelt. Dabei war die individuelle fachliche Betreuung von hoher Relevanz – und so entstand die Idee zum Mentoring. Denn bei schwierigen Fragen können die Kolleg/innen am besten helfen, die diesen Job jeden Tag machen.


Wie haben Sie die Kolleg/innen als Mentor/innen gewinnen können?


Dieter Harder: Das ist eine Besonderheit: Das Mentorenprogramm haben wir praktisch privat, auf freiwilliger und ehrenamtlicher Basis an den Start gebracht. Durch meine Bekanntschaften habe ich Kolleg/innen gezielt angesprochen, ob sie Teilnehmer/innen in den Qualifizierungskursen beim Lernen und bei der Prüfungsvorbereitung helfen möchten. Unter dem Motto „„Kolleg/innen helfen Kolleg/innen“ hat sich das herumgesprochen – und für mich ist das ein Erfolgsrezept, dass man Leute Menschen gesucht und gefunden hat, die in ihrer Freizeit ihr Fachwissen einsetzen möchten, um einen Mehrwert für andere zu schaffen. Aktuell sind wir elf Mentor/innen aus verschiedenen Bereichen der Eisenbahnverkehrsunternehmen und können ein großes Spektrum an Unterstützungsleistungen anbieten. Natürlich wissen auch die Unternehmen ganz genau, welche Triebfahrzeugführer/innen den Job als Mentor/in machen und in einer Gesamthaftigkeit versuchen, Leute für den Beruf zu begeistern.

Portrait von Dieter Harder, Koordinator des Mentorenprogramms Quote

Es ist eigentlich egal, bei welchem Eisenbahnverkehrsunternehmen gearbeitet wird. Wir arbeiten mit und für ein gutes Projekt.

Dieter Harder

Koordinator Mentorenprogramm Fokus Bahn NRW


Wer kann die Hilfe der Mentor/innen in Anspruch nehmen?


Dieter Harder: In den vergangenen drei Jahren haben wir vornehmlich mit Geflüchteten und Migrant/innen gearbeitet, um ihnen hier in Deutschland eine berufliche Perspektive zu bieten, die sie verdient haben. Denn wir brauchen sie als gut qualifizierte und motivierte Kolleg/innen. Unser Mentoringangebot wurde so gut angenommen, dass wir jetzt an einer Ausweitung arbeiten. Wir möchten das Mentoring idealerweise für alle Kolleg/innen in der NRW-Bahnfamilie öffnen. Die neue Beschäftigungsoffensive gibt uns dafür die Möglichkeiten. In einem ersten Schritt planen wir, dass auch die angehenden Disponent/innen in einer Kurz- oder Weiterbildung die Hilfe erfahrener Kolleg/innen nutzen können.


Sicher stoßen aber auch die Mentor/innen auf besondere Herausforderungen, bei denen sie ebenfalls Unterstützung brauchen?


Dieter Harder: Ja, selbstverständlich. Zu den ersten Herausforderungen gehörten durchaus die Sprachbarrieren, die es selbst bei guten Deutschkenntnissen geben kann. Denn die Mitglieder der Bahnfamilie unterhalten sich schon einmal gern in ihrer eigenen Bahnsprache mit Abkürzungen und fahren auf Befehl. Hier müssen die Mentor/innen neue Kolleg/innen oftmals erst abholen. Da ist es auch wichtig, dass es inzwischen fachspezifische Sprachkurse für Quereinsteiger/innen gibt, die nicht Muttersprachler sind.


Eine sehr glückliche Herausforderung war im Rückblick die Begegnung mit einem muslimischen Trainee, der zunächst viel Zuspruch brauchte. Zwei Mentor/innen haben sich gekümmert – mit Erfolg: Er fährt jetzt Eisenbahn. Leider passiert es aber auch andersherum, dass wir im Laufe der Begleitung den Kontakt verlieren, weil die Kolleg/innen keine Unterstützung mehr wünschen. Das darf man dann nicht persönlich nehmen.


Sie sind eigentlich im wohlverdienten Ruhestand. Warum ist Ihnen die Betreuung des Mentorenprogramms so wichtig?


Dieter Harder: Auch durch das Mentorenprogramm ist die Bahnbranche in NRW genau da angekommen, wo Bahner/innen aus verschiedenen Unternehmen zusammenarbeiten und neue Kolleg/innen für ihren Beruf begeistern. Für mich ist die Bahnbranche inzwischen wie eine riesengroße Familie – und wenn man zu dieser Familie gehört, gibt das Sicherheit. Das will ich weitergeben. Das wissen die Kolleg/innen ja auch zu schätzen, da sie uns das sagen und widerspiegeln. Man ist in der Bahnfamilie nicht allein, man wird unterstützt und man hält zusammen. Das schafft langfristig eine hohe Bindung an die Bahnbranche, von der alle Eisenbahnverkehrsunternehmen und das System SPNV insgesamt profitieren. Die Kolleg/innen, die wir jetzt erfolgreich ausbilden und in die Bahnfamilie einbinden, werden die Herausforderungen der Mobilitätswende gemeinsam, als Team stemmen. Das ist für mich ein wichtiges Ziel.


Kontakt für Interessierte

Wer sich ebenfalls als Mentor oder Mentorin engagieren möchte, kann sich unter folgender Rufnummer persönlich an Dieter Harder wenden: 0177 5118848


Ein Icon zeigt einen Menschen, welcher vor einer Gruppe steht und auf eine Tafel zeigt.
Die Beschäftigungsoffensive

Über die aktuelle Beschäftigungsoffensive für den SPNV NRW richtet Fokus Bahn NRW seit September 2023 bis zum Jahresende 2024 unternehmensübergreifend Kursplätze für rund 265 neue Lokführer/innen ein. Durch eigene Kurse der Nahverkehrsbahnen sollen rund 650 Lokführer/innen ausgebildet werden. Weitere Qualifizierungen werden für Kundenbetreuer/innen im Nahverkehr und Disponent/innen angeboten. Durch den Ausbau des Mentorenprogramms können Kursteilnehmer/innen fachliche und persönliche Unterstützung zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen erhalten. Die anschließende Begleitung durch erfahrene Kolleg/innen soll die Bindung an die Bahnbranche langfristig stärken.

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