Fokus Bahn NRW im Gespräch mit Christof Rasche, FDP

Fahrgäste warten am Gleis eines Bahnhofs, während ein roter Zug einfährt.

Programm

26. März 2024

„Das Ziel muss sein, die Attraktivität der Schiene zu steigern.“

Wann ist der SPNV erfolgreich? Christof Rasche, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW, gibt im Interview eine klare Antwort: „Wenn alle Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Aufgabenträger an einem Strang ziehen.“


Die Zusammenarbeit der Bahnbranche im Landesprogramm Fokus Bahn NRW geht in ihr fünftes Jahr – und die Herausforderungen im SPNV erscheinen größer denn je. Baustellen, Infrastrukturschäden und vor allem fehlende Fachkräfte bremsen die Nahverkehrsbahnen aus. Gleichzeitig wachsen seitens Politik und Gesellschaft die Erwartungen an eine zukunftssichere Mobilität auf der Schiene. Wie lassen sich diese erfüllen? Christof Rasche, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen, erörtert aktuelle Fragen zur Entwicklung der öffentlichen Mobilität im Interview mit Fokus Bahn NRW.


Engpässe in der Schienen-Infrastruktur und der Personalmangel bei den Lokführer/innen stellen für Fahrgäste und Mitarbeitende im SPNV NRW tagtäglich hohe Belastungen dar. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?


Christof Rasche: Verlässlichkeit und Pünktlichkeit sind für die Menschen wichtige Entscheidungsfaktoren, mit welchem Verkehrsmittel sie ihr Ziel erreichen wollen. Gleichzeitig spielt eine Rolle, wie zeitlich flexibel die Nutzung des SPNV möglich ist und ob der Fahrplan zum eigenen Mobilitätsverhalten passt. Hier kann man durch kluge Planung, beispielsweise durch die Verstärkung der Verbindungen zu klassischen Pendelzeiten (mehr Waggons, höherer Takt) und einer gegenläufigen Entwicklung zu Randzeiten, auch mit knappen Ressourcen ein attraktives Angebot schaffen; zumindest übergangsweise. In diesem Zusammenhang möchte ich auch den Blick darauf lenken, dass wir durch die Digitalisierung – Stichwort: Ticket-Apps – gut auswertbare Daten über das Nutzungsverhalten des SPNV erhalten können, die in eine solche bedarfsorientierte Planung in Zukunft einfließen sollten.


Portrait von Christof Rasche, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Faktion im Landtag NRW Quote

Nur eine ausreichende Personaldecke gewährleistet kurze Wartezeiten und zuverlässige Beförderung.

Christof Rasche

Verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW


Neben dem Deutschlandticket als Flatrate bietet der Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen den eTarif eezy.nrw für Gelegenheitskund/innen. Wie sehen Sie die Chancen, ÖPNV-Tarife weiter zu verschlanken?


Christof Rasche: Im Grunde brauchen wir im ÖPNV keine weiteren Tickets als das Deutschlandticket für die Vielfahrer und eezy.nrw für die Gelegenheitsfahrer. Dabei ist eezy.nrw auch ein Beispiel, wie Digitalisierung den Alltag der Bürger erleichtern kann. Kein Ticketkauf, kein Entwerten, kein Müll und vor allem kein Stress, weil der Fahrgast einfach in die Bahn einsteigen kann, ohne sich zuvor um ein Ticket kümmern zu müssen. Die übrigen Ticketangebote der Verkehrsverbünde werden nach meiner Überzeugung mangels Nachfrage irgendwann entfallen können. Günstiger als mit dem Deutschlandticket oder mit eezy.nrw kann man im ÖPNV nicht fahren. Insofern wird sich eine Verschlankung der jetzt noch bestehenden Tarifvielfalt von selbst einstellen.


Sollte das Modell der Mobilstationen weiter ausgerollt werden?


Christof Rasche: Mobilstationen sind grundsätzlich eine gute Idee zur Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger und beispielsweise zur Unterstützung der Erreichbarkeit bei Großereignissen. Ich warne aber davor, ihre Wirkung zu überschätzen. Heute nutzen immer mehr Menschen Apps, um ihre Reisen zu planen – und das in der Regel vor Reiseantritt. Taxistand, Bushaltestellen, S-Bahn-Stationen oder Fahrradstationen sind bereits heute im Bahnhof gut ausgeschildert. Wir sollten uns eher auf den Ausbau all dieser Angebote konzentrieren. Das hilft den Menschen in Nordrhein-Westfalen konkret, um von A nach B zu kommen – und das ist mir wichtig.


Die Liberalisierung des SPNV-Marktes liegt fast 40 Jahre zurück und die Erfolge des Wettbewerbs sind weitgehend anerkannt. Gleichzeitig liegen heute wesentliche Teile der Wertschöpfungskette, wie das Fahrgast-Marketing oder die Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung, in öffentlicher Hand, sodass sich Bahnunternehmen im Wettbewerb über kaum mehr als die Personalkosten differenzieren können. Wie sehen Sie diese Entwicklung?


Christof Rasche: Die Eisenbahnverkehrsunternehmen brauchen mehr unternehmerische Spielräume. Das stärkt den Wettbewerb und verbessert das Angebot für die Nutzer.


Die Deutsche Bahn hat soeben ihre Infrastrukturaktivitäten in die Gesellschaft InfraGo überführt. Inwieweit halten Sie eine Steuerung der Gesellschaft nach Gemeinnützigkeitskriterien für realistisch? Wird der Fahrgast davon profitieren?


Christof Rasche: Die Lenkung einer Gesellschaft nur nach Kriterien der Gemeinnützigkeit ist eine komplexe Aufgabe. Bei ihrer Bewältigung müssen verschiedene Faktoren vereinbar sein, da in einer Gesellschaft viele Interessen aufeinanderprallen. Allein die Frage, was unter gemeinnützig zu verstehen ist, wird unterschiedlich beantwortet. Man wird es nicht immer allen recht machen können. Jedoch sollte bei allen Entscheidungen die Gemeinnützigkeit im Sinne der Mehrheit eine maßgebende Rolle spielen. Realistisch sind Lenkungen nach Gemeinnützigkeit aber nur dann, wenn sie auch finanzierbar und wirtschaftlich sind. Denn auch diese Kriterien gehören zur Gemeinnützigkeit.


Fokus Bahn beruht auf dem Grundprinzip des Wettbewerbs in der Ausschreibungsphase und jenseits dieser Phase auf der Zusammenarbeit im Sinne der Fahrgäste und des Systems Schiene. Wie finden Sie das Modell und wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen für uns?


Christof Rasche: Das Ziel muss sein, die Attraktivität der Schiene zu steigern. Das gilt sowohl für die Fahrgastbeförderung im Sinne von Angebot, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit als auch für die Gewinnung von Personal. Für dieses Jahr steht insbesondere die Personalverstärkung durch Ausbildung, auch von Quereinsteigern, im Vordergrund. Denn nur eine ausreichende Personaldecke gewährleistet kurze Wartezeiten und zuverlässige Beförderung. Letztlich geht es um den reibungslosen Ablauf des Schienenbetriebs bei der Personenbeförderung. Dabei leistet Fokus Bahn einen wertvollen Beitrag in Bezug auf die Koordination der Verkehre. Eine wichtige Rolle spielt Fokus Bahn auch bei der Organisation der Ersatzverkehre. Gerade in Zeiten zunehmender Baustellen im Schienennetz müssen im Sinne der Fahrgäste einheitliche Konzepte erarbeitet werden. Nur wenn alle Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Aufgabenträger an einem Strang ziehen, ist der SPNV erfolgreich.